So hier geht die Geschichte, mein vorerst letzter Abschnitt weiter... (denkst Du).
Der Teil, den ich so sehr ersehnt hatte…ein Leben lang.
Doch war mir diese Sehnsucht nicht bewusst… ich wusste es nicht, bis…
Ok, eins nach dem anderen.
Erst einmal einen Spannungsbogen schaffen
Den vorherigen Erzählungen kannst Du vielleicht entnehmen, dass ich mehrere Privilegien in mir trage:
Den Mut: anders zu sein.
Den Mut: meinen Weg zu gehen.
Den Mut: ich zu sein.
Mut spielt eine große Rolle in meinem Leben.
Immer wieder begebe ich mich unbewusst und bewusst in Herz-Poch-Situationen… und glaube mir, Lampenfieber ist eines meiner besten Freunde.
Dieser beste Freund begleitet mich auf Schritt und Tritt - bei jedem ersten Satz…jedem ersten Impuls, jedem Augenblick,… auch wenn Du mich eventuell ganz anders wahrnimmst. Es ist ein Spiel mit dem inneren Thrill,... ein Mich - Packen und ein immerwährendes Ausprobieren. Los jetzt.
Ein wichtiger Motivator dafür ist ein wertvoller Satz in mir: „geht nicht, gibt es bei mir nicht“… und ich folge diesen meinen inneren kindlichen Impulsen…
Glaube mir, meine Kleine in mir schubst mich immer wieder "liebevoll" in die erste Reihe oder meinen Arm in die Höhe oder macht das Mikro im Zoom - Call an.
Sie will, dass ich mich positioniere, mich zeige in meinen Schwächen und Stärken, meiner Authentizität, in meiner Menschlichkeit und Tiefe und ich soll damit anderen Mut machen, anderen helfen… Sie auf ihrem Weg bestärken, auch, wenn sie einen Drachen erlegen müssten.
Glaub mir, sie ist eine viel größere Rampensau ,als ich…
Ich sagte bereits, diese kindliche Initiative sollte mir noch an einigen Stellen zum Verhängnis werden…
Doch langsam… das ist auch die Kleine, sie drängt, dass ich schneller und alles gleichzeitig schreiben soll…
Sie sitzt da mit angezogenen Beinchen neben mir und zappelt unruhig auf dem Sitz herum … eigentlich süß, wenn da nicht dieses ständige Feuer aus dem Kopf käme… aus den Augen, aus den Haaren und Ohren… dieses Wesen… eine kleine brennende Kugel…
So nun hat sie es verstanden,… eins nach dem anderen.
Dir schwant vielleicht: Ich habe noch nicht alles erzählt, was mir neben der intensiven Erkenntnisse der Arbeit als Therapeutin begegnete, nachdem ich von Kiel nach Hamburg gezogen war.
Ich hatte nun in dieser damals sehr besonderen und außergewöhnlichen Praxis mit der Freiberuflichkeit begonnen und sehr schnell einen Kundenstamm als Physiotherapeutin aufgebaut.
Meine Patienten kamen mehr und mehr aus neurologischen und psychisch-emotionalen Themen zu mir und ich sagte bereits, es waren viele männliche Energien - die ich anzog.
Ich gab Gruppen, behandelte und war Fortbildungs - Junkie.
Doch eine meiner Leidenschaften, die mich auch nach Hamburg gezogen hatten, war die Bühne.
Ich wollte auf den heiligen Brettern stehen.
Und genau das tat ich dann auch… und zwar nicht, um gesehen und gelobt zu werden, sondern um gehört zu werden. Applaus mochte ich nur bedingt, gab lieber Zugaben... die Messages sollten in die Welt.
Meine „Karriere“ als Rampensau begann schon in der Schule - in der ich immer wieder spontan mit Instrument - der Stimme oder dem Körper eine Rolle übernahm. Lust hatte ich immer und Gierde nach Neuem war ein treuer Begleiter für Herausforderungen udn Zerstreuung.
So war ich als Soldatenkind ja daran gewöhnt, mich in Situationen spontan einzufinden. Das gefiel mir, solange ich mein Statement platzieren konnte und weiterziehen durfte. Eine Challenge jagte die nächste... denn nur weil ich einsprang, hieß es ja nicht, dass ich es konnte und ein Gewinn war,... aber wir hatten Spaß und eine neue Erkenntnis .
Außerdem lag es mir sehr, mich für andere oder Grundsätzliches und Prinzipien einzusetzen, so auch mal gegen den Schulleiter Diskussionen zu führen. Ich hatte Mut und vor allem keine Angst vor Konsequenzen.
Denn ich argumentierte offensichtlich immer deutlich und klar, dennoch sehr leidenschaftlich.
Warum erzähle ich das?
Es dient einem Vorspiel zu der ersten dramaturgischen Szene, die in meine Memoiren eingehen wird…
Schau:
Bei unserer Abiverleihung setzten wir uns als Star-Trek Kopie in Szene und erbaten mit einzelnen Stücken, Szenen und Vorträgen um Landeerlaubnis auf dem Planeten JAG (das war unsere Schule damals). Dazu mussten wir mit den Vorträgen in Bezug auf die Grund - und Leistungskurse gespielte Prüfungen ablegen in Form von Parodien, oder eben... dem Ernst des Lebens.
Unser Gemeinschaftskunde Leistungskurs wollte deutlich machen, dass wir das Manifest gelesen (und vermutlich nur bedingt verstanden ) hatten und unser Schulleiter offenbar nicht mit uns gerechnet hatte... und so stand ich in der abgelegten Kluft meines Vaters und seinem Barett verkehrt herum auf meinem Kopf, mit meinen damals ewig langen rot-flammenden Haaren und mit meiner Querflöte auf der Bühne und spielte die Internationale,… während die "Truppe" unseres Jahrgangs dazu einen umgeänderten Text sangen: "Direktör hör´ die Signale,..."
Meinen Vater hatte ich damals nur gefragt, ob ich mir den mal kurz ausleihen dürfte (ich war seine Tochter, wie konnte er mir etwas abschlagen - und er war außer Dienst) - so versank er auf seinem Platz im Theater und bat mich nur hinterher, beim nächsten Mal ein Event zu wählen, dem er nicht beiwohnen würde.
Wir wurden gehört und durften unseren Abi - Umzug nach der Verleihung durch die Stadt doch durchführen,... und bei mir war die Botschaft angekommen...
Egal wie, ich wollte dieser Welt von Herz zu Herz mit Klarheit, Aufrichtung und Mut begegnen.
Der Bogen zurück nach Hamburg … nun war ja ziemlich bald nach dem Abi mein Vater verstorben und es brauchte auch für mich etwas Zeit - die mich in meine Kraft geleitete.
In Kiel fand ich meine Lust zum Theater wieder, die Heilung durch Musik war mein ständiger Begleiter.
Doch in Hamburg angekommen hatte ich mit wundervollen Schauspielern und Sängern zu tun und bereitete mich zur Aufnahmeprüfung der Schauspielschule vor (wenn dann richtig).
Sie nahmen mich - obwohl ich schon etwas älter war mit meinen 26. Es war großartig. Fechten, Singen, Tanzen (das lag mir nicht so - Koordination ist nicht meins), Darstellen und Ausprobieren… wundervoll. Ich verschlang die Literatur und die Noten - sah Filme und versuchte Ingmar Bergmann und Kinski zu verstehen.
Bei meiner Aufnahmeprüfung spielte ich die Szene der Mariedl aus den Fäkaliendramen von Werner Schwab. Und ich sang und berührte - nicht ob der Töne, sondern ob der Botschaft.
Doch irgendwie wollte ich mich nicht reinfügen in das Team, Gruppen - Phobie, Reizüberflutung, ich wollte nicht bleiben, mich nicht schon wieder anpassen.
Ich wollte tranportieren und singen… (schon in der Kirche mit 4 habe ich zu Weihnachten den immer redenden Pastor mit Lispelzunge laut hingewiesen: "ZSingen zsollzst Du").
Also singen wollte ich,…. aber doch nicht erst, wenn ich fertig war mit einer Ausbildung, deren Weg ich im Herzen nicht teilte und auch nicht immer mit dieser Gruppe. Also brach ich ab und entschied "La Diseuse", neben meinem Beruf als Therapeutin, zu werden. Gesagt - getan. Da ich über viele Jahre Gesangsstunden nahm - hatte ich Kontakte und bekam wundervolle Auftrittsmöglichkeiten, war alles und nichts - durfte Tina sein.
Mit einer verzaubernden Pianistin standen wir mit den „Dominanten Konzerten ohne Schuhe“ auf der Bühne im Bewegungsraum unserer Praxis - dann im Hosenstall in St. Georg und auf Bühnen - die uns eingekauft oder einfach eingeladen hatten. Mal war es eine Scheune, oft eine Kneipe oder ein Gemeindesaal.
Was wir taten, war so wundervoll.
Wir haben Musik gemacht, wir haben angeregt, wir waren dafür und dagegen. Ich habe mich versungen und dazu gelacht, habe den Text vergessen und es weiter probiert. Wir spielten Brecht, Eisler, Kurt Tucholsky, Georg Kreisler, Claire Waldoff, Zarah Leander und auch Heinrich Zille… es war eine wunderschöne Zeit.
Zu Tränen rührten wir das Publikum mit wunderschönen Texten und berührten ihre Herzen. Auch wir waren berührt ob der Menschen.
Aufregung - Freude und wir wurden gehört.
Die Menschen wurden nachdenklich, wurden in den Moment gerissen, wurden auf sich fokussiert… heute würde ich sagen: auch hier endete die Therapie nicht.
Es war eine wunderschöne Zeit, in der meine Leidenschaft, mich in andere Welten zu entrücken, ausgedehnt wurde.
Dafür bin ich so unendlich dankbar.
Meiner Kleinen bin ich so dankbar, dass sie so viel spielen will, so mutig ist und mich an jede noch so herausfordernste Situation leicht geführt hat... dieses Naive und etwas Freche hat dabei gut getan...das Denken kam meist später.
Und glaube es mir oder nicht - so souverän, wie es hier klingen mag und so liebevoll ich es hier schreibe... war es nicht. Ich bin Perfektionistin und leidenschaftliche "Mich-In-Frage-Stellerin". Das hat mir damals oft Grenzen präsentiert...doch weißt Du, meine Kleine hat immer nur gesagt: Los, das schaffst Du, ich trau´ es Dir zu ... und die Menschen müssen Deine Gedanken hören, vielleicht ist es das Puzzleteil, das ihnen fehlt.".
Das waren heilende Sätze.
Mit einem Tusch war unsere Reise dann zu Ende.
Und es war und ist gut so.
Noch heute steigt die Aufregung - wie es war, den Plan des Abends zusammen zu stellen.
Das war so ein wundervoller Ausgleich zu der Arbeit am Klienten - so wunderschön zu tüfteln, um zu schreiben und abzuwandeln, Medleys zu entwickeln und dann freudestrahlend zu „meiner“ wundervollen Pianistin zu gehen und sie zu bitten es mal eben deutlich tiefer zu transponieren. Sie konnte es, sie war genial... so wie sie mich als ständig improvisierende Künstlerin auch immer grandios begleitete und ausglich und zurück in den Takt führte.
Ja, so war das.
Das ist ein Teil aus meinem Leben, der wichtiger war als ein- und auszuatmen.
Ich wurde gehört und die Menschen wurden berührt.
Seitdem wurde es ruhiger in mir und die Zeit im Hospiz und in der ambulanten Palliativbegleitung begann.
So als wäre ich zufrieden nach der Heldenreise heimgekehrt an den heimischen Ofen, das Elixier in die Welt verteilt.
Ich liebe diese Metaphern. Und ich verstehe beim Schreiben jetzt, warum es genau so war und nicht anders.
Ich bitte um Entschuldigung.
Es wird wohl noch einen 5. Teil geben. :-)
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