Heute bereite ich alles vor für die Walpurgisnacht.
Ein Schmunzeln und eine Erinnerung.
Meine Großmutter hatte ihren Ehrentag am 30.04. und jedesmal fragte ich sie, ob sie auf den Blocksberg reiten würde. - Die Nacht der unbegrenzten Möglichkeiten.
Ein kindlich schelmisches Kichern folgte. Gepaart mit einem ganz besonderen Gesichtsausdruck und einer neu ausgerichteten Aufrichtung. Das war jedes Mal so schön.
Zu ihrem letzten Blocksbergritt konnte ich sie nicht mehr befragen, da war sie bereits früher als sonst los geflogen, dem Wolkenmeer entgegen.
Ich habe sie sehr geliebt. Sie war meine Omi.
Jeden Urlaub habe ich bei ihr im Allgäu verbracht - bis ich Mitte 30 war und sie ins Wolkenmeer aufbrach.
Geheimnisvoll und so eine archetypische Oma war meine Oma nicht. Sie war nüchtern hanseatisch und preußisch reserviert. Elegant, aufgerichtet - eine Dame bis ins sehr hohe Alter.
Meine Oma lebte sehr in dem Korsett der gesellschaftlichen Gepflogenheiten und ich wusste, dass es ihr Halt war, ihre Struktur.
Eine andere Zeit - eine andere Welt.
So war auch das Allgäu mit meiner Oma und den Themen für mich jedesmal wie eine Zeitreise.
Diese Begegnung hatte damit eine tiefe Magie. Denn mir wurde es zum Ziel diese Strenge aufzubrechen und das gelang mir vor allem beim Kartenspiel. Wir klönten und zockten durch die Nächte und es war einfach schön. Wir konnten auch streiten und schimpfen, und wir konnten uns versöhnen und umarmen.
So gab sie mir das Gefühl "Nach-Hause" zu kommen und ich entzündete in ihr das Licht - das schon so lange nur noch leise flackerte.
So brav und angepasst ich anfangs aus dem elterlichen Nest entschlüpft war, so konnte meine Oma wahrlich erleben, wie ich mich mehr und mehr aus den Schienen und dem Korsett befreite - Therapeutin wurde, kritische Fragen stellte, auf der Bühne stand und Lieder der 20er Jahre sang, nachdenkliche Gedichte las und Songtexte auf die heutige Zeit anpasste.
Sie erlebte, dass ich anfing Geschichten zu schreiben, mich weiter von dem "was man so tut" entfernte und sie war so stolz auf mich und meinen Mut!
Ich kam immer zu ihr - wenn ich etwas ausbrütete, bei ihr war es sicher - heute würde ich zum Schreiben zu ihr fahren.
Und ich weiß:
In ihrem Inneren wäre sie auch heute so stolz auf meine Unerschrockenheit und meinen Mut, mehr und mehr ich zu sein. Und sie würde sich selber darin wieder entdecken, dass ich ein wenig gegen den Strom schwimme, ohne es selbst als solches beschreiben zu wollen, ... sie würde sich angesteckt fühlen von meinen Gedanken, meinen Fragen und dem, was ich da bebrüte.
... und genau dieser Gedanke - lässt es warm werden in mir, ein Schmunzeln macht sich breit.
Diese Erinnerung zur Walpurgisnacht - die Nacht der unbegrenzten Möglichkeiten - lässt das Kichern in mir entstehen - neben all der noch vor mir liegenden Arbeit, die dringend zu tun ist - entsteht ein Feld.
Ein Feld, das direkt zum Blocksberg führt.
#channeling #andenken #erinnerung
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